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Sonntag, 10. April 2011

Geschichte #3

Stagediverin

Dir ist warm. Du ziehst die Decke weg und legst dich auf sie. Nach zwei Minuten ist dir wieder kalt. So geht das eine Weile hin und her. Du drehst dich auf die linke Seite und hältst die Position bis sie wieder unbequem wird. Einfach an nichts denken. Wenn das so einfach wäre. Gestern hast du wieder etwas zu lange gefeiert. Deine Ohren schmerzen, deine Nase tut höllisch weh ,draußen wird es langsam hell. Die Vögel fangen an zu zwitschern. Eigentlich magst du ja Vögel, aber dieses gezwitscher geht dir auf die Nerven. Können die nicht einfach alle mal sterben?
Still liegst du da. Was ist eigentlich gestern auf dem Konzert so passiert?
Du bist mit Heiko hingegangen. Ihr ward beide schon am Einlass etwas betrunken. Ein Wunder dass sie euch reingelassen haben. Erstmal habt ihr die Bar gestürmt und seit dann in die Menge gesprungen. Nach 15 Minuten ging auch endlich was mit Pogo. Du wolltest einfach alles raus lassen. Den ganzen Frust und so. Im Pogo hat irgend so ein dahergelaufener Trottel seinen Ellenbogen gegen deine Nase gerammt. Du wolltest dich sofort mit ihm schlagen, aber er hat schnell das Weite gesucht. Egal, es ging weiter. Du hast an dem Abend alles gemacht was so ging.
Bei einer Ballade hast du ein fremdes Mädchen auf die Schultern genommen. Sie hat dich immer so süß angelächelt hat. Melanie, genau. Du hast sie zuvor aufgefangen als sie von der Bühne sprang. Sie lag genau in deinen Armen. Du hast sie hoch gedrückt und sie schwamm weiter. Dieser Moment verlief für dich in Zeitlupe. Heiko hat sich schon eine ganze Weile blicken lassen.

Du kannst nicht einschlafen. Du hasst es nicht einschlafen zu können. Das schlimmste ist aber wenn du müde bist und nicht einschlafen kannst. Du stehst auf und humpelst in die Küche. Die Kühlschranktür ist noch offen. Im Inneren befindet sich nicht viel. Du drückst die Tür zu, holst dir ein Glas aus dem Schrank und füllst es mit Leitungswasser. Auf der Straße hörst du vorbeifahrende Autos. Du wirfst einen Blick auf die Bushaltestelle. Neben dem Mülleimer liegt eine Pfütze aus Kotze. Super.
Angewidert gehst du ins Bett zurück. Das war ein scheiß Abend gestern. Oder war das heute? Egal.
Eigentlich hätte alles anders verlaufen sollen. Nicht so. Langsam aber sicher verlierst du jeden deiner Mitmenschen. Sie wollen nichts mehr mit dir zu tun haben. Oder willst du nichts mehr mit ihnen zu tun haben?

6 Stunden früher:

Nach dem Konzert torkelst du betrunken durch die Straßen dieser unglaublich hässlichen Stadt. Du hast Heiko nicht mehr gefunden. Melanie auch nicht. Und wo ist eigentlich dein Geldbeutel.
Du läufst durch die Bahnhofs-Unterführung und schaust auf die zerlegten Fahrräder. Nur ein totaler Vollidiot stellt hier sein Fahrrad ab. Und das beweist ja mal das es genug davon gibt! Du ekelst dich vor dem Gestank. Eine Mischung aus Dreck und Urin. Du hast Melanie noch einmal getroffen. Am Merchandise-Stand hat sie sich ein T-Shirt gekauft und ihr altes ausgezogen. Ein paar Sekunden stand sie nur im BH da. Natürlich schauten ihr all diese perversen Spinner auf die Brüste. Auch du.
Wie hübsch sie doch war. Du hast sie angesprochen. Was du genau zu ihr gesagt hast weißt du gar nicht mehr. Es war aber die erste nette Unterhaltung und der erste Flirt seit Wochen. Nach einer Weile waren schon fast die Hälfte aller Besucher aus der Halle verschwunden. Melanie sitzt auf deinem Schoß und knutscht seit 2 Minuten heftig mit dir rum. Du hast keine Ahnung wie du von einem netten Gespräch in diese Situation gekommen bist. Später hat sie dir ihre Adresse gegeben, aber die ist in deinem Geldbeutel und den findest du nicht. Egal! Du erinnerst dich bestimmt an die Straße und die Hausnummer. Schelling oder Schillingstaße. Naja, zum Nachdenken hast du morgen noch Zeit. Jetzt willst du erst einmal nach Hause.
Auf dem Bahnsteig ist es kalt. Eine Neon-Röhre über die flackert die ganze Zeit. Wieso fahren deine Züge eigentlich immer von den letzten und hässlichsten Gleisen ab. Dein Magen knurrt. Du stehst auf und gehst in Richtung Burger-King. Der Zug kommt ja sowieso erst in zwei Stunden und du hast in deiner Tasche zwei Euro gefunden. Das ist das Pfandgeld aus der Halle gewesen. Du betrittst den Laden. Dein Blick fällt auf Heiko. Hier ist er also. Er sitzt mit irgendeinem Mädchen am Tisch. MELANIE. Du bist wütend. Deine Hand ballt sich zu einer Faust. Ab diesem Moment spürst du keine Kontrolle mehr über deinen Körper. Du läufst zu Heiko. Er dreht sich um, lächelt dich an und will dich begrüßen. So ein Arsch. Eins, Zwei. Er fällt um. Drei, Vier. Aus seiner Nase läuft das Blut. Er schreit. Melanie schreit. Du schreist. „DU WEISST GANZ GENAU WIE ES MIR IN DEN LETZTEN WOCHEN GING! UND DANN TREFFE ICH MAL WIEDER EINE UND DU PENNER SPANNST SIE MIR AUS!“, hörst du dich brüllen. Du siehst die Angst in Melanies Augen. Heiko kriecht jämmerlich auf dem Boden herum und krümmt sich. Alles was jetzt kommt kriegst du gar nicht mehr richtig mit. Alles ist verschwommen. Heiko versucht dir zu ächzend erklären das er nur mit Melanie gewartet hätte. Er hätte nach dir gesucht und sie getroffen. Du verstehst nichts und verschwindest aus dem Restaurant. Das Personal im Burger-King hat wahrscheinlich schon die Polizei gerufen aber du bist abgehauen. Zu deinem Glück merkst du dass noch Busse fahren. Als du an der Bushaltestelle vor deiner Wohnung ankommst setzt du dich auf die Bank. Was hast du eigentlich getan. Du hast deinen besten Freund verprügelt weil du sauer warst, dass er mit einem Mädchen zusammen saß welches du nicht kennst. Du hast deinen besten Freund verprügelt. Du hast deinen besten Freund verprügelt. Ist Heiko eigentlich dein bester Freund? Du hast ihn erst vor 3 Jahren kennen gelernt. Du denkst an alles was in den letzten Stunden passiert ist. Alkohol, Schweiß, Blut. Dir kommt es hoch und du kotzt neben den Mülleimer. Was Melanie wohl jetzt von dir hält. Der Gedanke macht dich traurig. Du torkelst in Richtung Haustür, suchst den Schlüssel aus deiner Jackentasche. Beim vierten Anlauf steckt der Schüssel im Schloss. Als du vor deiner Wohnung stehst und auf die Fußmatte mit der Aufschrift „Home Sweet Home“ siehst musst du fast wieder kotzen, kannst es aber zurückhalten und betrittst die Wohnung. Du reist dir die Klamotten vom Leib und lässt dich auf deine Matratze fallen. Wenigstens kannst du jetzt in Ruhe Schlafen.

(© Meise)

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